Bienenzüchtungskunde

 

Erster, theoretischer Teil
von Ludwig Armbruster, 1919
 
Belichtetes Einleitung

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ienenzüchtung

Unter Bienenzüchtung kann man etwas erheblich in anderes verstehen als unter Bienenzucht.  Was man Bienenzucht nennt, ist im allgemeinen nichts anderes als Bienenwirtschaft, Bienenhalten des Erwerbes, schließlich auch der Unterhaltung willen.  Ein Lehrgang der Bienenzucht unterrichtet demgemäß über die Biene, ihr Leben und ihre Produkte, über die Art ihrer Anschaffung, ihrer Pflege, über ihre Ausnützung, natürlich auch über die Art ihrer Erhaltung und Vermehrung.  Jeder, der Bienen hält, pflegt sich Bienenzüchter zu nennen.  Freilich gibt es auch zahlreiche rührige und tüchtige Imker, die mit berechtigtem Selbstbewußtsein nicht „Bienenhalter“, sondern eigentlich Bienenzüchter genannt werden wollen, weil sie bestrebt waren, ihre Nutztiere nicht nur auszubeuten, sondern auch planmäßig zu verbessern.  Sie nannten sich Rassenzüchter oder auch Königinzüchter.  Mit vielem Eifer und großem technischen Geschick dienten sie Ihrer Aufgabe.  Die große Zahl der Schriften über Königinnenzucht, der Hauptinhalt unserer besten Bienenzeitungen, z. B. der schweizerischen, der umfangreiche Handel mit Königinnenzuchtgeräten, auch namhafte Vereins- und Staatsunterstützungen wirkten für solche Zwecke, stellten der Imkerschaft das Zeugnis aus, daß sie das Heil der Bienenzucht nicht nur in der guten Tracht, einer vernünftigen Betriebsweise und gesunden Marktverhältnissen, auch nicht gerade nur in einer gediegenen Kenntnis ihrer Lieblinge, sondern auch in der Verbesserung ihrer Bienen selbst sieht.  Was dieser Bewegung noch fehlt, und was diese erfreuliche Bewegung selbst eigentlich zur Bienenzüchtung machen kann, ist die genauere Kenntnis und Verwertung der Vererbungsgesetze und ihrer überaus merkwürdigen Geltungsweise für Bienen.  Daß die bisherige Bienenzucht auf diesen Kenntnissen noch nicht aufgebaut hat, ist nicht zu verwundern.  Denn die Kenntnis der Vererbungsgesetze ist noch gar zu jungen Datums; ihre Anwendung ist für Bienen in manchen Punkten dunkler als für die übrigen Haustiere.  Die Entdeckung dieser Vererbungsgesetze ist aber eine derart glänzende Leistung des Menschengeistes, daß es schon eine Pflicht der Dankbarkeit ist, diese Leistung dadurch zu ehren, daß man sie kennen und anwenden lernt, ganz abgesehen von dem Nutzen, den man selbst hat, wenn man mit offenen, statt mit verbundenen Augen geht.

Die Bienenzüchtung will, im Gegensatz zu den bisherigen Zuchtbestrebungen an der Biene, aufbauen auf den modernen Vererbungsgesetzen.

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üchtung

Also Bienenzucht ist Bienenwirtschaft, Bienenpflege und die Überwachung und Regelung der Fortpflanzung auf Grund von Erfahrung und Gefühl.  Unter Bienenzüchtung sei verstanden die fachmännische Regelung der Fortpflanzung der Biene auf ein bestimmtes, wohlerwogenes Zuchtziel hin nach den Regeln der exakten Forschung, soweit wenigstens diese Regeln für Bienen bekannt sind.  Auch der Laienzüchter pflegt näherhin, bewußt oder unbewußt, unter Züchten überhaupt folgendes zu verstehen:

 1.  Die guten Eigenschaften eines Lebewesens in seinen Nachkommen zu erhalten;
 2.  gute Eigenschaften auf Kosten der schlechten in den Nachkommen zu vermehren;
 3.  die einzelnen Eigenschaften in ihren guten Zügen womöglich noch zu steigern suchen.

Davon bedeutet also Punkt 1 Stillstand, Punkt 2 und namentlich Punkt 3 Fortschritt.  Punkt 1 wird fast von jedem Bienenhalter erstrebt, z. B.: Wenn ein Volk, das durch Honigeifer, also durch auffallend hohe Honig-Kilo-Zahlen bei der Ernte auffällt, still umweiselt und in ein paar wenigen Weiselzellen die Kinder der dahingehenden braven Majestät heranwachsen, dann wird auch der „Bienenhalter“, der Bienenwirt, diese Weiselzellen ausschneiden und die ausschlüpfenden jungen Königinnen verwerten, um in den jungen Stöcken die vorzügliche Eigenschaft des Sammeleifers zu erhalten.  Er folgt dem allbekannten Grundsatz: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.  Ein weiteres Beispiel dafür, wie nützlich schon das bloße Erhalten sein kann: In Dänemark fand man zufällig eine Spielart des weißen Maulbeerbaumes, die lange Jahre unbeachtet in einem Garten gestanden hatte — sie war als Same aus Nordamerika eingeführt —; man fand an ihr verschiedene gute Eigenschaften, die sie für die Seidenzucht in dem stark nordisch gelegenen Lande verwendbar machte.  Man hat sie innerhalb 14 Jahren auf 61434 Pflanzen (Dezember 1914) vermehrt und die guten Eigenschaften so sehr zu erhalten vermocht, daß die Ausfuhr der „neuen Kulturpflanze“ nach dem Auslande durch ein Gesetz verboten wurde [Olufsen 1916, Seidenbau in Dänemark, in: Prometheus Nr. 1371 S. 295].

Ein größeres Kunststück der Züchtung wäre aber folgendes: Ein Bienenwirt besitzt ein honigeifriges Volk, unansehnlich der Farbe und ein anderes, dessen beste Eigenschaft die wundervoll gleichmäßig schöne Farbe ist.  Er möchte nun einmal ein Königin- bzw. Ein Jungvolk aufstellen können, das beide Eigenschaften vereinigt, also sowohl honigeifrig, als hervorragend in der Farbe ist.  Einem Bienenhalter wird dies Kunststück, an einem Volk die guten Eigenschaften zu vermehren auf Kosten der schlechteren, kaum gelingen; das ist eine Aufgabe für einen Züchter.

Es harren aber noch viel größere Aufgaben des Züchters.  Als der badische Uhrenmacher W. Wankler die Vorarbeiten begann, gute Eigenschaften der Bienen zu steigern, und zwar Bienen mit noch leistungsfähigerem Rüssel, nämlich mit längerem Rüssel zu züchten, da wurde er ausgelacht.  Und doch waren damals schon die Pflanzenzüchter — die freilich viel leichtere Arbeit haben — auf dem besten Wege, gute Eigenschaften bei ihren Pfleglingen nicht nur zu erhalten, sondern 3. ganz beträchtlich zu steigern.  Durch die Kontinentalsperre zur Zeit des großen Napoleon wußte man sozusagen noch nichts von dem (vom Berliner Chemiker Marggraff 1747 entdeckten) Zuckergehalt der Rübe.  Nach einigen Versuchen, diese gute, süße Eigenschaft zu steigern, erzielte man ein Zuchtprodukt, die Eggendorfer Rübe, mit 9%igem Zuckergehalt; heute hat man 18%-, ja 24%igen Zuckergehalt erzüchtet, so daß die deutsche Landwirtschaft heute nicht mehr, wie früher, 1 Million, sondern (1914) 2,6 Millionen Tonnen Zucker — bei gleicher Anbaufläche! — erzeugen kann.  Bei einer einzigen Roggensorte, dem Pettkuser Roggen v. Lochows, hat man den Ertrag durch Züchtung um 35% gesteigert.

Die deutsche Landwirtschaft hat, ohne daß sich die Anbaufläche wesentlich vergrößerte, doppelt so viel erzeugt wie früher.

Welcher Imker hätte nicht schon von einer Idealbiene geträumt? Nicht alle Träume werden in Erfüllung gehen, aber die erwähnten Beispiele dürfen auch den Imker ermuntern, und dies um so mehr, als die Züchtungswissenschaft uns lehrt, daß manches, was der praktischen Züchtung erst im Verlaufe langer Kulturepochen gelungen ist, in verhältnismäßig recht kurzer Zeit erreicht wird, wenn man die vor 50 Jahren entdeckten und seit 18 Jahren wieder entdeckten modernen Vererbungsgesetze, die Züchtungsgesetze und die daraus erwachsene Züchtungswissenschaft sachgemäß und zielsicher anwendet.

Diese modernen Vererbungsgesetze und ihre planmäßige Anwendung will die Züchtungskunde lehren.  Ihre Aufgabe ist nicht leicht.  Gezüchtet wurde schon seit Jahrtausenden und darüber geschrieben schon seit Jahrhunderten.  So zahlreich aber die Züchtungsbücher alter Schule sind, sowohl für Pflanzen als für Tiere, so spärlich hat man sich auf dem neuen Wege versucht.  Namentlich gilt das für die Nutztierzüchtung — wir werden bald sehen warum — insbesondere aber auch für die Bienen.

Züchten heißt:

  1. die guten Eigenschaften eines Lebewesens in seinen Nachkommen erhalten;
     
  2. die guten Eigenschaften auf Kosten der schlechten vermehren und
     
  3. die einzelnen guten Eigenschaften steigern.
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isherige Züchtungsbestrebungen mit der Biene

Seit dem Zeitpunkt, 19. Februar 1855, da Dzierzon der Öffentlichkeit mitteilte, er habe ein helles Bienenvolk aus Italien erhalten, begannen bewußtermaßen und in größerem Stile züchterische Bestrebungen unter den Imkern.  Es erschienen bis auf die Stunde eine nicht geringe Menge von Abhandlungen über „Akklimatisieren“, „Italienisieren“ und „Bastardieren“, über Goldbienen und Rotkleebienen, über Königinnenzucht, Rassenzucht und Wahlzucht, über Reinzucht und Blutauffrischung, über Krainer- und Heidebastarde, über Zigeunerblut und über die Herauszüchtung der braun-schwarzen deutschen Landrasse.

DZIERZON besonders hat die Imkerwelt auf die südlichen hellen Bienenrassen aufmerksam gemacht und ihnen hohes Lob gespendet.  Ein lebhafter Import erst mit der italienischen Biene, dann mit der Cyprer-Biene, der ägyptischen und „palästinischen“, vereinzelt auch mit der griechischen und kaukasischen Biene setzte ein.  Es war das Zeitalter der „Akklimatisation“.  Man importierte, man zahlte, züchtete und prüfte und war meist begeistert.  von Berlepsch hauptsächlich mahnte zur Vorsicht und dämpfte die überschwenglichen Urteile über die wirtschaftlichen Vorteile namentlich der italienischen Biene (Pollmanns Zusammenstellung von 1889).  Die reiche Literatur spiegelt sich in zahlreichen Aufsätzen in der Eichstätter Bienenzeitung aus den Jahren 1853–79, namentlich 1860–68, welch letztere gewissenhaft verarbeitet sind in von Berlepsch berühmtem Buch „Die Biene und ihre Zucht auf beweglichem Rahmen“ (1. Aufl. 1860), und in den beiden Sammelbänden „Die Bienenzeitung“ (oder „Die Dzierzonsche Theorie und Praxis“), herausgegeben von Schmid und Kleine, 1861.

Eine zweite Epoche der Zuchtbestrebungen hub an, als Pfarrer Weygandt (oder Möhring?? vgl. Wankler 1906, Vorwort) das Umlarven und Uhrenmacher Wilhelm Wankler die Verwendung der künstlichen Königinzelle (der offenbar zu Unrecht sogenannten Doolittle-Zelle [Vgl. Armbruster : Badens Führung in der Deutschen Bienenzucht in: Die Biene und ihre Zucht, Jahrg. 55, Heft 6.]), der Königinkäfige, der Weiselburg, des Brutapparates und des Rüsselmeßapparates erfunden hatte.  Seine Erfindungen kamen aber der leider zu kurzsichtigen Heimat nicht zugute, sondern dem geschäftstüchtigen Amerika (das die italienische Biene ebenfalls aus Deutschland, vom Stande Dzierzons, erhalten hatte).  Frank Benton, der führende amerikanische Imker seiner Zeit, kaufte Wankler 1883 einen Teil seiner Erfindungen ab und nahm sie, Geräte und Zeichnungen, mit über das große Wasser (ähnlich Ende der achtziger Jahre ein Auswanderer aus Weinheim namens Jochim. [Vgl. Wankler 1906]).  Dort wurden die Ideen in die Tat umgesetzt, namentlich durch Henry Alley, G. M. Doolittle, Otto Luhdorff, C. Miller, E. F. Phillips, E. L. Pratt, W. H. Pritgen, H. H. Root und die A. J. Root & Co.  Es war dies die Epoche der Königinzucht mit verfeinerten Hilfsmitteln, ausgeübt von vereinzelten Bienengrößen, namentlich zu Handelszwecken.

Dem bald Mode gewordenen Import ausländischer Rassen, einschließlich den Handel mit Krainer- und Heidebienen, stemmte sich mit bewundernswerter, zielbewußter Tatkraft namentlich der Schweizer Imkerführer Kramer (gestorben Zürich 1913) entgegen.  Er machte sich nicht nur im Verfahren von den Ausländern ziemlich unabhängig (teilweise zu seinem Schaden), verwarf nicht nur alle „Künstelei“, indem er lehrte, sich den natürlichen Instinkten des Bienenvolkes, der Schwarmtraube usw. einzufühlen, sondern hob die dunkle einheimische Biene, „die schwarze oder schwarz–bräune Landrasse“ wieder auf den Schild, weil sie dem heimischen Klima und der heimatlichen Tracht am besten angepaßt sei.  Er lehrte den Schweizern auf der Insel Ufnau im Zürichsee die Einrichtung der „Belegstationen“ [die Einrichtung der Belegstationen] und die Züchtung der Biene nach Stammbaum auf schwarze Farbe hin, die ihm die Gewähr bot für „braves Hünglertum“ (Honigeifer) und für die von der Mehrzahl der Imker ersehnte Schwarmträgheit.  Kramer sammelte nicht nur die Deutschschweizer fast geschlossen hinter seine Fahne, er machte auch Schule namentlich in Süddeutschland.  Wie sehr diese Züchtungsrichtung in stets noch steigendem Maße die Imker beschäftigt, zeigt das Inhaltsverzeichnis z. B. des Schweizer Imkerkalenders Aarau 1918 (begründet von Kramer, geleitet von Göldi–Braun); „Ist die Farbe der Biene ein Rassenmerkmal? — Die dunkle Farbe der Bienenvölker — Vererbungskraft der Landrasse — Vom Züchten — Ohne Schwarmreife keine rentable Zucht — Vereinfachte Königinnenzucht — Züchte, wenn der Biene will! — Verwertung der Schwarmzellen — Die Verwertung der Befruchtungskästchen — Beobachtungen und Erfahrungen bei der Königinnenzucht — Hochzeitsreisen jungfräulicher Königinnen — Ein glücklicher Zufall (die frühe Absonderung des Drohnenvolkes betreffend) — Erfahrungen bei der Kunstschwarmbildung — Wie alt werden die Bienen? — Der Kunstschwarm — Was ein richtig gepflegtes Rassenvolk anderen Völkern gegenüber leisten kann — Wie hat man auf dem Stand nur rassige Drohnen? — Eine Überraschung (im Drohnenvolk auf der Belegstation) — Rasches und sicheres Abfangen der Königin — Das Erkennen der reifen Weiselzellen — Wie ich einen Fegling verstärke — Interessante Beobachtungen beim Dröhnerich — Zehn Gebote für den Rassenzüchter.“  Dieser von Kramer eingeleiteten Zuchtbestrebungen, die dritte Epoche, die man auch Farbenzucht nannte, und die stark populär wurde, erwuchsen von Anfang an Gegner, welche die Wahlzucht, d. h. Auswahl der honigreichsten einheimischen Völker, ohne Rücksicht auf Farbenreinheit, auf ihre Fahne schrieben.  Die Gegensätze sind heute noch sehr lebendig und werden uns unten noch mehr beschäftigen müssen.  Die Erzüchtung einer schwarmträgen Rasse wollen zwar auch die Farbenzüchter, die ja in der schwarzen Farbe eine Gewähr für diese wirtschaftlichen Eigenschaften erblicken.  Die Akklimatisationsbestrebungen wurden von den meisten Walhzüchtern, besonders aber von den heutigen Farbenzüchtern abgelehnt.  Alle Parteien leiden an einem Grundfehler: der Unklarheit in ihren Züchtungsgrundsätzen.  Es scheint der Zeitpunkt gekommen, diese Grundsätze an der Hand der modernen Vererbungs- und Züchtungsgesetze zu prüfen.

Man kann folgende Zeitalter der bisherigen Züchtungsbestrebungen unterscheiden:

  1. das der „Akklimatisation“ (Dzierzon),
     
  2. das der (Handels-) Königinzucht mit verfeinerten Hilfsmitteln (Wankler, Amerikaner),
     
  3. das der „Rassenzucht“ der einheimischen Biene als „Farbenzucht“ oder „Wahlzucht“ (heute).
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üchtungskunde

Wenn es dem Verfasser gelänge, in der vorliegenden Arbeit eine Züchtungskunde zu liefern, dann wäre es, so weit er sieht, die erste Tierzüchtungskunde, also die erste Schrift, die den Praktiker die Anwendung der neuen Vererbungsgesetze auf seine Züchtertätigkeit lehrte (soweit diese Vererbungsgesetze für sein spezielles Nutztier bekannt sind).  Der Verfasser ist sich bewußt, daß ihm dies allerdings in nur unzulänglichem Maße gelingen wird.  Er ist der erste, der geneigt ist, dem beizupflichten, der sagt, eine Bienenzüchtungskunde ist noch verfrüht, weil die maßgebenden Experimente, welche die Vererbungserscheinungen bei Bienen endgültig aufklären sollen, kaum erst begonnen sind.

Ob es aber klug ist, zu warten bis diese Experimente abgeschlossen sind? Offenbar nicht, denn

 1.  Es sind einige Ergebnisse schon gezeitigt.  Seit den Tagen Dzierzons liegen Beobachtungen vor, die zwar nicht alle brauchbar, aber mindestens auch nicht samt und sonders zu verwerfen sind.  Sogar unter ganz modernen Gesichtspunkten wurde gearbeitet von Sladen und Newell.  Die Erfolge dieser Versuche dürfen nicht ignoriert werden.  Dann darf wohl auch auf eine der nächsten Verwandten der Honigbiene hingewiesen werden, auf die Hummel, bei der es dem Verfasser gelungen sein dürfte, auf Grund von eigenen und fremden Zuchtversuchen gewisse bei der Insektengruppe der Hautflügler zu erwartende Vererbungsbesonderheiten nachzuweisen.

 2.  Eine Reihe von Ergebnissen, welche die Vererbungsforscher für ihre Theorien mit spannung erwarten, braucht vom praktischen Züchter nicht abgewartet zu werden.

 3.  Umgekehrt vieles von dem, was theoretisch sozusagen unumstößlich feststeht und nicht nur für eine kleine Tier- oder Pflanzengruppe Geltung hat, ist leider bisher noch gar nicht auf die Bienenzucht angewandt worden, so daß leider unendlich viele Mühe, viel Geld (auch öffentliche Unterstützungen) — von Tinte und Papier ganz zu schweigen — fast ganz umsonst aufgewendet wurden.  Jedenfalls scheint der, welcher vor Irrgängen warnen und einige wichtige Fingerzeige geben zu können glaubt, hierzu unverzüglich verpflichtet zu sein.

 4.  Unter den Imkern gibt es viele geschickte Leute und sehr viele lernbegierige Leute.  So und so viele betreiben ja die Bienenzucht nicht um des schnöden Erwerbes willen, sie wollen in ihrer bescheidenen Bienenhütte zu selbständigem, unmittelbarem Zwiegespräch mit der Natur kommen, zu Einblicken in die Geheimnisse der Lebewelt angeregt sein.  Es ist unverantwortlich für den Forscher, wenn er alle Angaben der Liebhaberbeobachter verwertet, ohne sie abzuwägen; aber ebenso unverantwortlich, wenn er stolz auf die Mitarbeit so vieler arbeitsfreudiger, erfahrungsreicher und schließlich auch dankbarer Praktiker verzichtet.  Wer den Imkern die Kenntnis der wichtigsten Grundlagen der modernen Vererbungslehre vermittelt, der kann sich die Mitarbeit zahlreicher Beobachter sichern.  Und wer wollte leugnen, daß bei Vererbungsstudien, wo es z. B. gilt, aufmerksam zu werden auf extreme Typen der Nachkommenschaft, auf das plötzliche Auftreten von Absonderlichkeiten unter dem Mittelgut der Erscheinungen, tausend Augen, auf ein großes Gebiet verteilt, mehr sehen als zwei!

 5.  Endlich muß einmal mit einer Tierzüchtungskunde der Anfang gemacht werden.  Es ist leicht, zu zeigen, daß die Biene ein günstigeres Objekt hierfür ist als die Mehrzahl der Nutztiere, daß sie als Versuchsobjekt in einigen wenigen Beziehungen, leider bei weitem nicht in allen, hinter der Pflanze nur wenig zurücksteht.

Eine abgeschlossene Bienenzüchtungskunde ist heute noch nicht möglich; es erscheint aber jetzt schon geboten, auf veraltete Grundsätze hinzuweisen und an der Hand moderner zur Mitarbeit im einzelnen anzuregen.

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