Bienenzüchtungskunde

 

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von Professor, Doktor
Ludwig Armbruster
Theodor Fisher Verlag 
1919

 

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Belichtetes blaues D Zeichen

das Mendeln zweier Merkmalspaare bei Dominanz nur in einem Paar

Wer den bisherigen, naturgemäß stark theoretisierenden Ausführungen einigermaßen gefolgt ist (wer etwa beim erstmaligen Überlesen den Faden verloren hat, dein sei empfohlen, nicht gleich zum folgenden sich zu wenden, sondern erst den Faden wieder zu suchen), der wird leicht, sozusagen selbständig, einen anderen Fall von Doppelbastardierung sich zurechtlegen können.  Beim ersten Fall der Doppelbastardierung, dem Meerschweinchenbeispiel, lag doppeltes Dominieren vor.  Jetzt sei ein Fall von Doppelbastardierung durchgesprochen, bei dem unter den beiden Mendelschen Grundunterschieden (Merkmalspaaren) nur bei einem Dominanz auftritt, während beim andern intermediäre Vererbung vorliegt.

Von zwei Rassen des Gartenlöwenmauls, Antirrhinum majus, die wir kreuzen wollen, sei die eine rein in zwei Eigenschaften, erstens in der hellen (nicht roten) Farbe (rr), und zweitens in der normalen Blütenform (NN); die andere sei rein in den zwei Eigenschaften rote Farbe (RR) und röhrige, nicht normale Blütenform (nn).  (Siehe P–Pflanzen der Abb. 15.)

Kreuzung zweier Löwenmaulrassen.

Abb. 15.  Kreuzung zweier Löwenmaulrassen (Antirrhinum majus).  Beispiel des Mendelns zweier Merkmalspaare mit Dominanz nur bei einem Paar.

Es ist hier wie bei der Wunderblume das Rot nicht etwa dominant über Hell, sondern es findet auch hier intermediäre Vererbung der Blütenfarbe statt.  Der Mischling ist auch hier Rosa.

Anders beim zweiten Merkmalspaar: Die normale Blütenform dominiert über die röhrige.

Der F1–Doppelbastard RrNn (siehe F1 der Abb. 15) zeigt also eine Mischfarbe, jedoch nicht eine Mischform (sondern normale Blütenform).

Ebenso in F2: sowohl die NN–Blüten als die Nn–Blüten zeigen die normale Blütenform (nur die nn–Blüten sind röhrig); indes sind nur die RR–Blüten rot, die Rr–Blüten jedoch rosa (die rr–Blüten selbstverständlich hell).

Die Art der Keimzellen von F1 und die möglichen Kombinationen dieser Keimzellen in F2 sind ohne weiteres zu ersehen aus dem Schachbrettmuster:

Keim-
zellen
von F1
RN Rn rN rn Männliche Zeichen
RN RRNN
Rot
Normal
(1)
RRNn
Rot
Normal
(3)
RrNN
Rosa
Normal
(5)
RrNn
Rosa
Normal
(7)
 
Rn RRNn
Rot
Normal
(2)
RRnn
Rot
Röhrig
(10)
RrNn
Rosa
Normal
(9)
Rrnn
Rosa
Röhrig
(12)
rN RrNN
Rosa
Normal
(4)
RrNn
Rosa
Normal
(8)
rrNN
Hell
Normal
(13)
rrNn
Hell
Normal
(15)
rn RrNn
Rosa
Normal
(6)
Rrnn
Rosa
Röhrig
(11)
rrNn
Hell
Normal
(14)
rrnn
Hell
Röhrig
(16)
Weibliche Zeichen   Pfeildiagonalezeichen

Auf diesem Schachbrett sind sechs Phänotypen (statt vier wie beim Meerschweinchen–Fall) zu zählen, nämlich vier auf der Pfeildiagonale.  Ferner kommt vor: Rosa–Normal und Rosa–Röhrig (die Mischlingsfarbe Rosa kann auf der Pfeildiagonale nicht vorkommen, weil dort nur doppelt rassenreine Pflanzen stehen).  Die verschiedenen Typen sind auch hier verschieden stark vertreten.  Wir finden das Verhältnis:

3 : 6 : 1 : 2 : 3 : 1
Rot   Rosa   Rot   Rosa   Hell   Hell
Normal Normal Röhrig Röhrig Normal Röhrig

Die Aufspaltung bei diesem Löwenmaulbeispiel ist also verwickelter als die des Meerschweinchenbeispieles.  Trotzdem ist der Fall für den Züchter eher günstiger gelagert, wenigstens hinsichtlich der Farbe weiß er sofort, wo ein Mischling, und wo eine reine Pflanze vorliegt.  Hinsichtlich der Farbe allein finden wir die alte Aufspaltung des Mirabilis-Falles 1/4 : 2/4 : 1/4.  Wir finden 4/16 = 1/4 Rot  : 8/16 = 2/4 Rosa  : 4/16 = 1/4 rein Weiß.

Die doppelt rassenreinen Pflanzen züchten natürlich in F3 ganz rein weiter.  Das sind die F2–Pflanzen Nr. 1, 10, 13, 16 (die Felder der Pfeildiagonale).  Die Nr. 6, 7, 8, 9 (die Felder der anderen Diagonale) sind Doppelbastarde wie F2 selbst.  Sie spalten wiederum auf nach dem Verhältnis:

3 : 6 : 1 : 2 : 3 : 1
Rot   Rosa   Rot   Rosa   Hell   Hell
Normal Normal Röhrig Röhrig Normal Röhrig

Diese vier Reihen sind auch auf der Tafel der Raumersparnis wegen wiederum nicht angegeben, sondern nur angedeutet.  Alle übrigen F2 (nämlich die Nr. 2, 3; 4, 5; 11, 12; 14, 15) sind einfache Bastarde, die entweder nach dem Mirabilisschema aufspalten 1/4 Rot : 1/4 Rosa :1/4 Hell (Nr. 4, 5; 11, 12) oder nach dem Schneckenschema 3/4 Normal zu 1/4 Röhrig (Nr. 2, 3; 14, 15).

Ein dritter Fall einer Doppelbastardierung, der noch denkbar wäre (intermediäre Vererbung für beide Merkmalspaare), sei nicht näher besprochen, sondern nur kurz angedeutet.  Er läge vor, wenn z. B. normale Blütenform nicht dominant wäre über Röhrig, so daß Blüten mit den Faktoren Nn nicht mehr normal, sondern etwa Halblang wären, dann würde F1 nicht nur in der Farbe, sondern auch in der Blütenform in der Mitte stehen zwischen den P-Pflanzen.  Die Aufspaltung in F2 wäre noch verwickelter, die neuen Phänotypen würden sich verteilen nach dem Verhältnis:
 

1/16 : 2/16 : 2/16 : 4/16 : 1/6 : 2/16 : 1/16 : 2/16
Rot   Rot   Rosa   Rosa   Rot   Rosa   Hell   Hell
Normal Halblang Normal Halblang Röhrig Röhrig Normal Halblang

Den Züchter erschrecken diese Brüche nicht; er freut sich vielmehr, daß er so leicht Auslese halten, so leicht sichten kann.  Denn was sich rein vererbt, das sieht er auf den ersten Blick.  Nur solche Pflanzen, die weder Rosa noch Halblang sind, sind doppelt rassenrein.

Es sei dem findigen Leser sozusagen als Übungsstoff, voi, allem aber wegen einer wichtigen Folgerung noch eine andere Kreuzung empfohlen.  Wir wollen unsere doppelt heterozygote F1-Pflanze RrNn nicht wiederum mit ihresgleichen bestäuben, sondern mit dem Blütenstaube eines Einfarbbastardes, etwa von der Formel rrNn.

  rN rn Männliche Zeichen
RN RrNN
Rosa
Normal
RrNn
Rosa
Normal
 
Rn RrNn
Rosa
Normal
Rrnn
Rosa
Röhrig
rN RrNN
Hell
Normal
RrNn
Hell
Normal
rn RrNn
Hell
Normal
Rrnn
Hell
Röhrig
Weibliche Zeichen    

Die Keimzellen lauten dann (ungleich für Männchen und Weibchen!):

Männliche Zeichen   Weibliche Zeichen
rN : RN
rn   Rn
    rN
    rn

 und das (beschnittene!) Schachbrett sieht wie nebenstehend aus.

Das Spaltungsergebnis lautet hier:

3/8 : 3/8 : 1/8 : 1/8
Rosa   Hell   Rosa   Hell
Normal Normal Röhrig Röhrig

Nur 2/8 der Nachkommen sind doppelt rassenrein, nämlich 1/8 Hell-Normal und 1/8 Hell-Röhrig.

Obwohl hier — und zwar nur durch Zufall (weil die Vaterpflanze, obwohl sie normal aussah, trotzdem den Faktor n mit sich führte) — die Absonderlichkeit Hell-Röhrig auftritt, ist das Spaltungsergebnis viel ärmer; es sind weniger Phänotypen vertreten, weniger doppeltrassenreine Zuchttiere und weniger doppeltrassenreine neuartige Kombinationen (es fehlt z. B. Rot-Normal und Rot-Röhrig).

Beim Sichten ist also der Züchter hier schon sehr stark beschränkt und damit in der Kombinationszucht, von der wir nun handeln wollen.

In je mehr Eigenschaften die F1–Tiere heterozygot sind, um so reicher und erfolgversprechender ist die Aufspaltung für den Züchter.

Belichtetes Zeile
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Belichtetes blaues F Zeichen

für und wider die Blutauffrischung

Eine alte Streitfrage, bei welcher man bisher viel Lehrgeld in barer Münze bezahlte, ohne nur irgendwie ins Klare zu kommen, erhält durch diese Kapitel ganz neue Beleuchtung, wenn auch noch nicht ihre endgültige Beantwortung.

Die alten Züchter (auch noch ein guter Teil der Bienenpfleger von heute) waren für Blutauffrischung in der Bienenzucht.  Die Mehrzahl der heutigen Königinzüchter ist entschieden dagegen.

Sie wollen alles „schädliche Zigeunerblut“ (Brünnich 1917, S. 50–51: „blödsinniger Import der italienischen, zyprischen, kaukasischen usw. Bienen“) ausgeschaltet wissen.  Sie fordern die Zucht der unverfälschten braunen, heimischen Biene.  Sie unverfälscht herauszüchten heißt die guten Eigenschaften unserer Biene vermehren und steigern.  Sie sei jahrhundertelang an unser Klima gewöhnt„ und habe “Kälte und Hitze, Nässe und Trockenheit, fette und magere Jahre ... im Laufe der Zeiten überstanden„ (Klein 1918, S. 17).  Man bedauert die „Verwelschung“ (Klein, S. 17).  Zander schreibt zwar 1917 (Bericht über die Tätigkeit der Kgl.  Anstalt für Bienenzucht in Erlangen im Jahre 1916. In: Landwirtschaftliches Jahrbuch für Bayern 1917 Nr. 1 S. 29), wo er die wirklich hervorragenden wirtschaftlichen Leistungen zweier aus Tiflis eingeführter Kaukasier-Bastardvölker loben mußte: „das sind in einem so schlechten Trachtjahr wie 1916 gerade staunenswerte Leistungen, die sich der landläufigen Ansicht über den Unwert ausländischer Bienenrassen nicht recht fügen wollen“.  In seiner neuesten Schrift: „Züchterische Bestrebungen zur Veredelung der Honigbiene“ (1918, S. 7) meint er jedoch: „Die allerwenigsten aber kommen zu der Erkenntnis, daß es nur einen dauernden Fortschritt verbürgenden Weg gibt, die Steigerung der Leistungsfähigkeit unserer Bienenvölker durch planmäßige Auslese der besten und Ausmerzung alles fremden Blutes, das die heimischen Stämme verschlechtert hat“, oder in seiner Zukunft der deutschen Bienenzucht (1. Aufl. 1916, S. 54; 2. Aufl. 1918, S. 67): „Da ferner die Anpassung an die Lebensbedingung des Wohngebietes eine Grundbedingung des Sammelerfolges der Biene ist, bringt der Austausch von Bienenvölkern zwischen ganz entlegenen Gegenden mit grundverschiedenen Trachtverhältnissen die Gefahr mit sich, daß die Einträglichkeit der Imkerei vermindert wird.  Ohne Bedenken darf man den geringen Erfolg mancher Imker auf die sinnlose Einfuhr fremder Stämme zurückführen.“

Im Organ des Vereins der (Deutsch-)Schweizerischen Bienenfreunde, der ganz bedeutsamen Schweizerischen Bienenzeitung, werden Geschäftsanzeigen von Italiener-, Heide- und Krainer-Handelsbienenzüchtern nicht aufgenommen.

Also die neue Theorie und Praxis läuft der des Zeitalters der Akklimatisation stracks zuwider.

Die Besprechung der Fälle von Doppelbastardierung jedoch geben uns wichtige Fingerzeige zu einer nüchternen Stellungnahme.

Wenn man ein Tier A mit einem Tier B, das sich in einer Reihe von Eigenschaften unterscheidet, also die A-Rasse mit der ganz anderen B-Rasse kreuzt, dann ist das erste Ergebnis F1 unter Umständen sehr unansehnlich, Mittelgut, das in den wenigsten Fällen selbst brauchbar sein mag.  F2 ergibt jedoch bei Inzucht eine große Mannigfaltigkeit von Nachkommen, und zwar — das ist das Merkwürdige —, nicht nur A-, B- und F1-Typen, sondern ganz neuartige Dinge.  Zum mindesten sind die einzelnen Eigenschaften von A in ganz neuen Verbindungen mit den Eigenschaften von B aufgetreten, und dies sozusagen mit einem Schlage schon bei der zweiten Kreuzung in all den genannten Fällen.  Eine Zuchtforderung lautete aber oben: Vermehrung der guten Eigenschaften auf Kosten der schlechteren.  Dieser Forderung kann der Züchter jetzt offenbar nachkommen.

Wenn er beispielsweise sich erfreut über die Farbenpracht, der Löwenmaulblüte, sich aber mit Recht aufregt darüber, daß die normale Blütenform eine richtige Bienenfalle ist, so kann er die normale Blütenform wegzüchten und ersetzen durch die Röhrige (wie Abb. 15 zeigt), und wenn ihm andrerseits an der Importpflanze RRnn der Abb. 15 die dunkle Blütenfarbe nicht zusagt, dann kann er sie austauschen, ersetzen durch die Helle.  Die beiden P-Pflanzen hatten das eine Gute, daß sie rassenrein waren, hatten aber, wie wir oben annahmen, je eine gute und eine schlechte Eigenschaft.  Reinzucht hätte diese Eigenschaften nie verändert und nie getrennt, und der Züchter hätte keiner der Rassen froh werden können.  Nun kann er aber die eine gute Eigenschaft (helle Farbe) der Pflanze A sozusagen wegnehmen und diese gute Eigenschaft bei der Pflanze B an die Stelle der dort vorhandenen schlechten setzen, so daß er eine Idealpflanze besitzt, und zwar in unserem Falle schon in der zweiten Generation.  Diese Pflanze Weiß und Röhrig (Nr. 16 der F2-Reihe der Abb. 15) ist nicht nur äußerlich ideal, sondern zudem rassenrein; es besteht also Aussicht auf den dauernden Besitz dieser Idealpflanze.

Würde umgekehrt an der Pflanze A die Blütenform, nicht aber die fahle Farbe gefallen, dann könnte der Züchter die leuchtende Farbe von der weniger genehmen röhrigen Blütenform sozusagen trennen und auf der Pflanze A austauschen gegen die fahle Farbe.  Er käme rasch und dauernd in den Besitz dieser erträumten Pflanze; das beweist Nr. 1 der F2-Reihe Abb. 15.  Bei diesem Beispiele wird er freilich klugerweise noch die F3-Generation abwarten, um sich zu überzeugen, welche von den drei äußerlich gleichen Pflanzen die tatsächlich doppeltrassenreine Nr. 1 ist.

Man kann dieses Zuchtverfahren in der Tat Kombinationszucht nennen.  Daß sie unumgänglich ist für jeden, der vorankommen will, liegt auf der Hand.  Die Mendelforschung, namentlich die Beispiele von Doppelbastardierung lehren:

Für den Kombinationszüchter ist Blutauffrischung in irgendeiner Form unerläßlich: reine Tiere für den Bienenpfleger, verbastardierte für die Hand des Imker-Züchters!

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